Wie ihr auch von zu Hause einen Podcast produzieren könnt
Miserable Akustik, Telefon-Interviews und andere Widrigkeiten: Einen Podcast zu Hause aufzunehmen kann eine echte Herausforderung sein. JILL BEYTIN von der Podcasting-Plattform BEAR RADIO hat einige Tipps, wie du trotzdem hochwertigen Content produzieren kannst.
Seit einigen Wochen müssen meine Kollegin und ich unseren täglichen Podcast statt im professionellen Studio in meinem Schlafzimmer produzieren. Natürlich sind wir nicht die einzigen: Weltweit sind die Menschen mit Ausgangsbeschränkungen konfrontiert und müssen zu Hause arbeiten.
Die Umstellung auf unsere neue Podcasting-Realität hat sehr viele Probleme mit sich gebracht, aber wir haben dadurch eine ganze Menge darüber gelernt, wie wir die Produktion zu Hause einfacher und besser gestalten können. Im Folgenden geben wir dir ein paar Tipps, wie du in deinen eigenen vier Wänden hochwertigen Content produzieren kannst.
Schalldämmung
Wer zu Hause produziert, muss zunächst die Raumakustik in den Griff kriegen. Wenn wir an eine professionelle Aufnahmekabine denken, gibt es zwei wesentliche Faktoren für die Klangqualität: Schallisolierung und akustische Optimierung. Wir wissen ja: Je besser der Klang bereits bei der Aufnahme ist, desto weniger musst du dich bei der Nachbearbeitung mit Nebengeräuschen und Echos herumschlagen.
Du hast wahrscheinlich keinen komplett schallisolierten Raum, doch man kann durchaus mit dem arbeiten, was vorhanden ist. Wir haben ein paar tolle und einfache Möglichkeiten gefunden, die Akustik in der eigenen Wohnung zu verbessern.
Erstens: Mach deine Aufnahmen nicht im Bad oder in der Küche! Die vielen harten Oberflächen im Badezimmer erzeugen sehr starke Echos, und wenn du einen Lüfter hast, ist das ein weiteres Problem. Auch die Küche ist zum Aufnehmen eher ungeeignet. Der Kühlschrank brummt. Die Spülmaschine macht Lärm. Rohre und Lampen verursachen störende Geräusche. Also wirklich nicht ideal! Für die Aufnahme solltest du alle Klimageräte ausschalten und alle Fenster schließen.
Such dir einen kleinen Raum mit weichen Oberflächen. Ein großer Kleiderschrank eignet sich zum Beispiel ganz hervorragend zum Aufnehmen. Das Ziel ist, die Reflektionen im Raum so gut wie möglich zu dämpfen. Wir arbeiten mit einer Kombination aus Kleidungsstücken und Daunendecken, die wir über Regale und Kleiderständer gehängt haben. Die Wände und harte Oberflächen im Raum haben wir zum Großteil mit Stoffen und weichen Materialien abgehängt. Ein Teppich und eine Couch tragen ebenfalls dazu bei, dass mein Raum nicht so stark hallt wie eine normale Berliner Altbauwohnung.
Falls sich dein Raum nicht vollständig dämmen lässt, kannst du auch einfach eine schwere Decke aufhängen und das Mikrofon davor aufbauen. Dann trifft deine Stimme nach vorn hin wenigstens direkt auf eine weiche Oberfläche. Viele Podcaster nutzen den bekannten Akustik-Noppenschaumstoff, aber du kannst auch einfach eine günstige Matratzenauflage an der Wand befestigen. Auch mit kleinem Budget bekommst du die Reflektionen in einem Raum relativ einfach in den Griff – sei also kreativ und überlege, welche weichen Materialien du schon hast! Für Voiceovers kannst du sogar einfach unter eine Decke kriechen. Dabei ist es allerdings wichtig, nicht gekrümmt zu sitzen, weil das den Klang deiner Stimme beeinflusst.
Briefing der Gäste
Manche deiner Gäste haben vielleicht noch nie ein Interview gegeben, geschweige denn eines über Telefon oder Video-Chat. Wenn du also ein Vorgespräch mit ihnen führst, ist es wichtig, nicht nur auf ihre Anliegen oder Fragen zum Interview an sich einzugehen, sondern ihnen auch ein paar Tipps zu geben, wie sie in ihrer eigenen Umgebung die beste Klangqualität erzielen. Euer Interviewpartner sollte sich in einem ruhigen, kleinen Raum aufhalten. Ein stark hallender Raum wirkt sich negativ auf die Klangqualität aus. Außerdem solltet ihr einen Pegel-Check machen. Euer Interviewpartner sollte eine bequeme Sitzposition einnehmen, möglichst still sitzen und ein Glas Wasser parat haben.
Telefoninterviews
Natürlich kann es sein, dass deine Interviewpartner kein professionelles Mikrofon besitzen. Für wichtige Interviews kannst du ihnen ein preiswertes USB- oder Lightning-Mikrofon zusenden, das sie dir anschließend wieder zurückschicken. Falls das nicht machbar ist, frag nach, ob dein Gast ein kabelgebundenes Headset (Ohrhörer oder Kopfhörer mit Mikrofon, kein Bluetooth!) besitzt, wie sie z.B. bei den meisten iPhones mitgeliefert werden.
Ansonsten bitte deinen Interviewpartner, wie bei einem normalen Anruf direkt in das Telefon zu sprechen. Stelle sicher, dass am anderen Ende die Freisprechfunktion ausgeschaltet ist, und führe ein reguläres Telefongespräch, keinen Online-Call über eine App. WhatsApp oder ähnliche Dienste solltest du nur für internationale Anrufe nutzen.
Dich selbst nimmst du während des Interviews einfach mit deinem eigenen Mikrofon und Interface auf. Das Telefonsignal deines Interviewpartners routest du über deinen Mixer oder dein Interface direkt in deine DAW. Nimm möglichst beide Signale auf separaten Spuren auf. Falls mit deiner DAW keine Mehrspuraufnahmen für Telefonate möglich sind, kannst du nach der Aufnahme die eine Spur duplizieren und jeweils einen Gesprächspartner herausschneiden.
Interviews per Video-Chat
Da zurzeit so viele Menschen im Home Office arbeiten, werden Videokonferenzen immer beliebter. Es ist möglich, eine Zoom- oder Google Hangout-Session direkt mitzuschneiden. Eine bessere Qualität erzielst du jedoch mit einer Erweiterung namens Soundflower, die die Audioausgabe der Software direkt mit deiner DAW verbindet. Wähle dafür in der DAW „Soundflower“ als Eingang aus.
Zencastr ist ein weiteres fantastisches Tool, das allerdings nur richtig funktioniert, wenn beide Gesprächsteilnehmer eine stabile Internet-Verbindung haben. Mit Zencastr kannst du beide Seiten eines Interviews in guter Klangqualität direkt vom jeweiligen Computer, Mikrofon oder Headset aufnehmen. Das Programm komprimiert und bearbeitet das Audiosignal zudem so, dass es so professionell wie möglich klingt.
Wenn du Zencastr verwendest, solltest du allerdings ein paar Dinge beachten. Zum einen gibt es leider keine mobile Version der App. Auch solltest du immer sicherstellen, dass deine Interviewpartner ihr Zencastr-Browserfenster solange offen lassen, bis das Programm ihr Audiomaterial bearbeitet und hochgeladen hat. Wenn das Fenster vorzeitig geschlossen wird, unterbricht dies den Upload-Vorgang, und die Audiospur geht verloren. Und Zencastr ist nur für den Browser Google Chrome verfügbar – wenn deine Gäste also normalerweise Safari oder Mozilla verwenden, müssen sie zuerst einmal Chrome herunterladen.
Wenn du diese Homerecording-Tipps umsetzt, kannst du dich voll auf deine Gäste konzentrieren. Und das Ergebnis ist ein besserer Podcast – ganz egal, wo du ihn aufnimmst!
Jill Beytin ist Gründerin von Bear Radio, einer englischsprachigen Podcasting-Plattform und -Community mit Sitz in Berlin. Sie hat weltweit bei verschiedenen Radiosendern gearbeitet, unter anderem bei NPR in Washington, D.C.