Akustikgitarren aufnehmen und recorden in 9 Schritten
Bei der Abnahme einer Akustikgitarre steht das Instrument an sich im Vordergrund
Die Abnahme einer Akustikgitarre unterscheidet sich doch ganz ordentlich von der einer E-Gitarre. Beim Recording der E-Gitarre geht es darum, den Sound des Verstärkers bestmöglich einzufangen - bei der Akustikgitarre steht das Instrument an sich im Vordergrund.
Jede Komponente eines Instruments erzeugt Klang
Falls Ihr eine Akustikgitarre mit integriertem Tonabnehmer (z. B. einem Piezo) Euer Eigen nennt, kann es eventuell bereits damit getan sein, einfach nur das Audio Interface einzustöpseln. Tonabnehmer helfen dabei, Feedback auf der Bühne zu reduzieren, aber man darf natürlich nicht vergessen, dass jede einzelne Komponente eines Instruments Klang erzeugt: von Resonanzdecke und Schallloch bis hin zum Zupfgeräusch der Finger auf den Saiten. Um einen richtig guten, ausgewogenen Gitarrensound zu bekommen, muss man demnach doch ein paar Dinge beachten. So fängt ein Tonabnehmer nur einen Bruchteil des ganzen Sounds ein. Wenn Ihr aber ein akustisches Instrument in seiner Gesamtheit abnehmen wollt, kommt Ihr an einem Mikrofon nicht vorbei.
Wie hole ich den bestmöglichen Klang aus meiner akustischen Gitarre?
In diesem Artikel wollen wir Euch ein paar Wege zeigen, den bestmöglichen Klang mit Eurer Gitarre zu erzielen. Und ein paar Tipps zum Recording sind auch dabei.
1. Das Setup
Bevor wir mit der Aufnahme loslegen, starten wir mit ein paar grundlegenden Punkten. Ihr wisst ja: Die Klangquelle (also Eure Gitarre) steht bei der Abnahme an allererster Stelle. Also nehmt Euch die Zeit, Euer Instrument vorab so richtig auf Vordermann zu bringen - Saiten checken, neue Saiten aufziehen, stimmen usw. Vielleicht kennt Ihr sogar einen Profimusiker, der Euch dabei unterstützen kann?
Saiten checken, neue Saiten aufziehen, stimmen ...
Bevor Ihr beginnt, solltet Ihr Euch auch die Tongebung Eurer Gitarre ganz genau ansehen. Im Falle der Akustikgitarre kann das eventuell Anpassungen an Hals, Sattel und/oder Steg bedeuten. Manche Einstellungen könnt Ihr mit Sicherheit selbst durchführen, aber wendet Euch an einen Fachmann, wenn Ihr an Eure Grenzen stoßt.
Und falls Ihr nun neue Saiten aufgezogen und Eure Gitarre gestimmt habt und dann feststellt, dass das Ganze irgendwie trotzdem nicht so ganz rund klingt, wäre es wahrscheinlich keine verkehrte Idee, Euch für die Aufnahme eine hochwertigere Gitarre auszuleihen. Einen lausigen Klang zu korrigieren, wenn er erst einmal im Kasten ist, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Klar, man kann immer versuchen, mit irgendwelchen EQ-Einstellungen noch etwas zu retten, aber glaubt uns: Das kostet einfach nur Zeit und bringt letzten Endes meistens nur wenig bis nichts.
2. Die Wahl des richtigen Mikrofons
Sobald Eure Gitarre einsatzbereit ist, kann es mit der Wahl des Mikrofons losgehen. Generell lässt sich sagen, dass dynamische Mikrofone dem Klang einer akustischen Gitarre nicht so ganz gerecht wird. Da die Akustikgitarre an sich in den Höhen sehr präsent ist, macht ein Kondensatormikrofon (Bsp. PGA81, SM81) hier die bessere Figur.
Wir empfehlen bei akustischen Gitarren ein Kondensatormikrofon.
Kleinmenbran oder Großmembran?
Das ist hier die Frage... Kleinmembran-Mikrofone sind nicht so träge und übertragen hohe Frequenzen einfach besser. Insofern sind Kleinmembraner perfekt, wenn Ihr es auf einen knackigen, detailgetreuen Sound abgesehen habt. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass Großmembraner komplett ungeeignet sind. Tatsächlich liefert ein Großmembran-Mikrofon aufgrund seiner größeren Masse einen Klang, der gerne als "warm" beschrieben wird. Wenn das Euer Ding ist, dann greift zum Großmembran-Mikro.
- Kleinmembraner: Knackiger, detailgetreuer Sound (Bsp. Shure PGA81, SM81, Beta181)
- Großmembraner: warmer Klang (Bsp. Shure PGA27, PG42USB, SM27, Beta27)
Manche Mikros (in der oberen Preisklasse...) bieten die Möglichkeit, die Richtcharakteristik zu ändern. Bei Kondensatormikrofonen haben User meistens die Wahl zwischen Nieren- und Kugelcharakteristik. Die Kugel klingt natürlicher als die Niere, dafür nimmt sie aber auch deutlich mehr Raumklang auf. Wenn dieser in Eurem Studio nicht gerade berauschend ist, bekommt Ihr mit der Niere das bessere Ergebnis.
3. Mikrofonierung
Tiefe Frequenzen sind im Schallloch am ausgeprägtesten
Wenn Ihr ein paar Basics beachtet, ist die Positionierung Eures Mikros tatsächlich halb so wild. Klar, tiefe Frequenzen sind im Schallloch am ausgeprägtesten. Da macht es wenig Sinn, hier den Sound abnehmen zu wollen, wenn Ihr eigentlich auf einen ausgeglichenen Klang aus seid. Je nach persönlichem Musikstil und Geschmack könnt Ihr die folgenden Tipps befolgen, um zu einem guten Ergebnis zu gelangen. Wir verwenden hierbei ein Shure KSM141
4. Positionierung des Mikros
Ausgewogener Sound am Steg
Wenn Ihr Euer Mikro in Höhe des Stegs aufstellt, bekommt Ihr einen ausgeglichenen Gitarrensound. Allerdings kann es passieren, dass sich das Mikro und der Arm des Gitarristen dabei in die Quere kommen. Sollte das der Fall sein, versucht einfach, das Mikro weiter unten zu platzieren, wobei der Kopf des Mikrofons nach oben zeigt. Alternativ könnt Ihr das Mic auch oberhalb des Stegs in Schulterhöhe aufstellen, nach unten zeigend. Generell sollte das Mikro so 20 bis 30 cm entfernt vom Instrument stehen. Verwendet Ihr eine Nierencharakteristik, bekommt Ihr verstärkt tiefe Frequenzen, wenn Ihr Euer Mikrofon näher zur Schallquelle bringt. Dieses Phänomen nennt sich Nahbesprechungseffekt
Hellerer Klang zwischen dem 13. und 19. Bund
Wenn Ihr einen helleren, betonten Klang abnehmen wollt, versucht doch mal, Euer Mikro so in etwa zwischen dem 13. und 19. Bund aufzustellen. Das bringt den Sound der Saiten mehr nach vorne. Die Wiedergabe der tiefen Frequenzen könnt Ihr variieren, indem Ihr das Mikro weiter vom Schallloch entfernt oder näher hinbringt.
Verwendung von zwei Mikrofonen
Für die schönste Kombi aus beiden Techniken (oder vielleicht auch nur, um Euch noch eine weitere Möglichkeit an die Hand zu geben) wäre es vielleicht auch eine Idee, zwei Mikrofone zu verwenden - jeweils eines in jeder der oben beschriebenen Positionen. Ihr könnt dann z.B. die hellen Klänge des Stegs mit dem warmen Sound des Schallkörpers mischen. Je nach Stilrichtung und Geschmack kann das ganz gut funktionieren.
5. Vermeidung von Phasenproblemen
Solltet Ihr die Sache mit den zwei Mikrofonen versuchen, stellt sicher, dass beide Signale immer zeitgleich laufen. Falls diese nicht synchron sind, kann das zu Phasenproblemen und Kammfiltereffekten führen. Potentielle Phasenprobleme könnt Ihr minimieren, indem Ihr dafür sorgt, dass jedes Mikro in exakt gleicher Distanz zum Schallloch steht. Wenn Ihr lieber flexibel positionieren wollt, solltet Ihr das Timing in Eurer Recording Software manuell einstellen.
Stellt das Mikro näher und der Sound wird trockener, entfernt es und Ihr bekommt mehr Raumklang.
Ganz egal, für welches Mikrofon und welche Positionierung Ihr Euch entscheidet - denkt immer daran, dass es um den Sound der kompletten Gitarre geht; um das große Ganze, wenn Ihr so wollt. Stellt das Mikro näher und der Sound wird trockener, entfernt es und Ihr bekommt mehr Raumklang. Ist das Mikro zu nah, bekommt Ihr einen unnatürlichen Klang, der nur einen Teil des Instruments wiedergibt. Experimentiert einfach mit verschiedenen Platzierungen und Distanzen; am besten unter Verwendung von geschlossenen Kopfhörern, damit Ihr das Ergebnis im Anschluss abhören könnt. Nehmt Euch die Zeit, im Vorfeld alles durchzuexerzieren, dann habt Ihr es beim Mischen einfacher.
6. Abmischen der Akustikgitarre
Wenn Ihr hier angelangt seid, passt das Setup Eurer Akustikgitarre. Das Ziel ist nun, das Recording so zu gestalten, dass sich die Aufnahme in Euren gesamten Mix einfügt. Dabei ist weniger übrigens mehr, wie die folgenden Beispiele zeigen...
7. Dynamik-Kontrolle
Wenn die Akustikgitarre Hauptrhythmus und Tonstruktur Eures Songs vorgibt, hilft schon ein wenig Kompression dabei, die Spur mit dem Rest Eures Mix zu verheiraten.
Das Kompressionsverhältnis sollte zwischen 3:1 und 8:1 liegen; dann passt den Schwellenwert an, um nur die lauteren Peaks (irgendwo bei -6.0 dB sollte genügen) einzufangen. Nachfolgend ein Beispiel aus Logic Pro:
8. EQ
Normalerweise fängt man bei den Equalizer-Einstellungen für eine Akustikgitarre ganz gemütlich mit den tiefen Frequenzen an. Meistens geraten die tiefen Frequenzen einer Akustikgitarre mit anderen tieffrequenten Instrumenten wie z. B. Bass oder Bassdrum aneinander. Aus diesen Grund ist es keine verkehrte Idee, diese etwas zu reduzieren. Versucht doch mal mit einem LowCut ein bisschen Bass rauszunehmen. Fangt am besten bei 80 oder 100 Hz an.
Sobald Ihr mit dem "LowEnd" zufrieden seid, könnt Ihr unter Zuhilfenahme eines Filters unerwünschte "wummernde" Resonanzen rausnehmen. Startet irgendwo zwischen 100 und 250 Hz und reduziert dann weiter, bis Ihr die störenden Frequenzen im Griff habt.
Klarheit und Power zwischen 3 kHz und 7 kHz
Zu guter Letzt könnt Ihr Eurer Gitarre zu mehr Präsenz in Eurem Mix verhelfen, indem Ihr sie zwischen 3 und 7 kHz etwas betont. Hier findet sich die meiste Klarheit und Power einer Akustikgitarre. Unten könnt Ihr sehen, wie das in Logic Pro aussieht:
9. Hall
Falls Euer Aufnahmeraum nicht zufällig über spitzenmäßige akustische Rahmenbedingungen verfügt, ist es gängige Praxis, nur wenig von der gegebenen Raumakustik einzufangen. Raumakustik ist eine echte Wissenschaft für sich, aber normalerweise leistet die Kombination aus solider Mikrofonierung und Akustikpanelen schon ganz gute Arbeit dabei, den Raum in den Griff zu bekommen und eine recht trockene Aufnahme zu erzielen. Es ist übrigens viel einfacher, Hall zu einem trockenen Sound hinzuzufügen als eine Aufnahme mit schlechter Akustik retten zu wollen. Wenn Ihr in einem wenig lebendig klingenden Raum aufnehmt, habt Ihr die Möglichkeit, die Mikros weiter entfernt von der Gitarre aufzustellen, was zu einem ausgewogeneren Klang führt, der aber trotzdem noch trocken ist.
Experimentiere mit der Balance zwischen direktem Klang und Hall.
Wenn Ihr Eure Aufnahme mit Hall anreichert, sollte sie dennoch immer so klingen als wären alle Spuren zusammen im selben Raum aufgenommen worden. Dadurch müsst Ihr auch die Platzierung jedes Instruments im Auge behalten. Zum Beispiel: Wollt Ihr, dass der Hörer den Eindruck bekommt, dass ein Instrument näher oder weiter entfernt klingt? Auch das könnt Ihr ganz einfach bewerkstelligen, indem Ihr mit der Balance zwischen direktem Klang und Hall experimentiert. Um einen nahen, intimen Sound zu erzielen, stellt sicher, dass der direkte Klang laut und der Hall dezent ist. Umgekehrt funktioniert diese Regel auch, wenn Ihr wollt, dass der Eindruck entstehen soll, dass das Instrument weiter entfernt ist.
Und das Fazit?
Einen soliden Akustikgitarren-Sound aufzunehmen ist tatsächlich gar nicht so schwer. Allerdings erfordert ein guter Sound viel Zeit und Geduld. Wenn Ihr die Tipps in diesem Post befolgt, habt Ihr schon mal eine Grundlage, von der aus Ihr starten könnt, um zu testen, was für Euch funktioniert.
Die wichtigste Regel lautet aber auf jeden Fall: Die Klangquelle kommt immer zuerst. Wenn Ihr dafür sorgt, dass Eure Gitarre in Topform ist und Eure Mikros gut positioniert sind, ist das Abmischen keine große Sache mehr.